Tiefeninterviews: Expertenmeinungen und Einsatzgebiete der Methode bei sensibler Befragung

 

Im Gegensatz zu Gruppendiskussionen ermöglicht das Tiefeninterview die Konzentration auf eine Person. Diese Definition eines Tiefeninterviews umfasst ein tiefgehendes Einzelinterview, das darauf abzielt, ein bestimmtes Phänomen detailliert zu erforschen. Diese Einzelinterviews werden von einer/m erfahrenen Interviewer:in im offenen Gesprächsstil durchgeführt, bei dem die Themenreihenfolge des Leitfadens dem Gesprächsverlauf angepasst wird. Das Interview ist eine qualitative Methode der Marktforschung, die es ermöglicht, individuelle Meinungen und Bedürfnisse intensiv zu erforschen. Es wird häufig in der qualitativen Forschung eingesetzt, um tiefgreifende Erkenntnisse zu gewinnen. Tiefeninterviews sind besonders geeignet, um Hypothesen zu generieren oder zu überprüfen und dienen daher als wertvolles Instrument in der Forschung. Sie werden geführt, wenn es z. B. darum geht, Expert:innenmeinungen einzufangen oder wenn detaillierte Informationen zu Needs von Konsument:innen oder Produktverwender:innen benötigt werden. Die Einsatzgebiete von Tiefeninterviews umfassen auch das Verständnis komplexer Phänomene und die Erforschung sensibler Themen. Auch bei sensiblen Inhalten, zum Beispiel im medizinischen Bereich oder bei Konkurrenzbeobachtung in einem stark umkämpften Markt, ist das Tiefeninterview der Gruppendiskussion vorzuziehen.

 

Tiefeninterviews können sowohl online als auch Face-to-Face im Teststudio oder z. B. am Arbeitsplatz („at work“) der Teilnehmenden oder „at home“ durchgeführt werden. Die Flexibilität dieser Methode ermöglicht die Durchführung in verschiedenen Umgebungen, um eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Dabei kommt es auf eine möglichst dem Thema förderliche und vertrauensvolle Atmosphäre an, um eine offene und ehrliche Kommunikation mit dem Probanden zu gewährleisten.

Interviewer:in und Proband führen ein halbstrukturiertes Interview, in welchem der/die Teilnehmende als Expert:in im zu behandelnden Thema auftritt. Durch gezielte Fragetechniken und eine bewusste Gestaltung der Gesprächsdynamik kann auf die spezifische Sichtweise der interviewten Person eingegangen werden. Die Emotionalität des Probanden spielt dabei eine wichtige Rolle. Das schafft die Voraussetzung dafür, dass auch auf unvorhergesehene Erklärungen, Interessen und neue Erkenntnisse der befragten Person eingegangen werden kann. Der/die Interviewer:in setzt nach Bedarf Explorationstechniken wie bei Gruppendiskussionen ein.

Erkenntnisse durch Tiefeninterviews: Deep Dive in die Erlebniswelt

 

Im Einzelinterview wird versucht, Zusammenhänge zwischen dem objektiven Benefit eines Produktes und den dahinter stehenden Werthaltungen aufzudecken. Dabei werden auch unbewusste Emotionen und Bedürfnisse der Zielgruppe erforscht, um Hypothesen über ihr Verhalten zu entwickeln und das zugrunde liegende Phänomen besser zu verstehen.

 

Schrittweise nähert sich der/die Moderierende durch hintergründige Befragung und den Einsatz spezieller Fragetechniken den zugrunde liegenden Motivationen der Konsument:innen. Dieser Prozess ermöglicht es, unbewusste Bedürfnisse und Emotionen aufzudecken und die Validität der gewonnenen Daten zu erhöhen. Es beginnt mit den naheliegenden Eigenschaften. Mit jeder Frage wird der/die Interviewte vom ursprünglichen Produktnutzen schrittweise zu der tiefer liegenden emotionalen Nutzenstruktur geführt. Durch eine bewusste Steuerung der Gesprächsdynamik und die Förderung der Emotionalität werden verborgene Motive und Einstellungen aufgedeckt.

 

In der Analyse werden die Zusammenhänge zwischen Produkt- bzw. Dienstleistungseigenschaften und den Nutzenerwartungen und Wertvorstellungen aufgezeigt. Die Ergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse für die Interpretation und die Praxis und erhöhen die Validität der Forschung. Durch die sorgfältige Durchführung und die individuelle Gesprächsführung wird eine hohe Reliabilität der Ergebnisse gewährleistet, was die Überprüfung von Hypothesen ermöglicht. Daraus lassen sich vor allem Kommunikationskonzepte entwickeln, die optimal auf die Vorstellungen der jeweiligen Verbraucher:innen zugeschnitten sind.

 

Flexibilität und Vorteile von Tiefeninterviews in der Befragung

 

Die Interaktion mit den Konsument:innen ist flexibel und erlaubt die spontane Vertiefung von unerwarteten Erkenntnissen, um z. B. mehr über das Kaufverhalten in speziellen Situationen zu erfahren. Durch die vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre und die Flexibilität des Instruments können komplexe Themen und emotionale Aspekte intensiv beleuchtet werden. Die Einsatzgebiete von Tiefeninterviews sind vielfältig und ermöglichen es, auf die individuellen Bedürfnisse der Probanden einzugehen. Auch können Ideen zur Verbesserung eines Produkts oder Services aufgegriffen und weiterentwickelt werden, um diese dann z. B. bei der nächsten Testperson zu validieren.

 

Zielsetzung und Umsetzung: Dauer und Stichprobenumfang der Befragung

 

Tiefeninterviews variieren in der Länge zwischen 30 und 120 Minuten, abhängig von der Komplexität des Themas und der Zielsetzung der Forschung. Die Anwendung dieser Methode erfordert eine sorgfältige Planung und Durchführung, um die Validität der Ergebnisse sicherzustellen. Typischerweise werden zwischen 10 und 20 Personen interviewt. Die Stichprobengröße ist dabei relativ gering, was jedoch durch die Tiefe der gewonnenen Daten und die Möglichkeit zur Hypothesenbildung kompensiert wird.

 

Fazit

Tiefeninterviews ermöglichen die detaillierte Analyse der persönlichen Gewohnheiten, Erfahrungen und Anforderungen Ihrer Kundschaft. Durch die vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre und die Berücksichtigung der Emotionalität der Probanden werden valide und tiefgehende Erkenntnisse gewonnen. Die Vorteile von Tiefeninterviews liegen in der intensiven Auseinandersetzung mit der Zielgruppe und dem tiefen Verständnis des untersuchten Phänomens.